Ein ganz normaler Chaos Tag

Es ist halb sieben am frühen Morgen. Wie jeden Morgen klingelt der Wecker in seinen schrillsten Tönen. Irgendwie schaffe ich es dann doch noch mich aus dem Bett zu quälen. Schließlich müssen innerhalb der nächsten 60 Minuten drei kleine Racker für Schule und Kindergarten fertig gemacht werden. Natürlich gehört auch ein ausgiebiges Frühstück dazu. Das ist oft nicht leicht als alleinstehende Mutter zu bewältigen. Doch bis jetzt hat es meisten funktioniert. Auch wenn es ziemlich häufig in ein reines Chaos verfällt.
Johanna geht in die 3. Klasse. Max ist in diesem Sommer in die erste Klasse gekommen und die kleine Sophia kommt nächsten Sommer in den Kindergarten. Drei Kinder immer gleichberechtigt zu behandeln fällt schwer. Nicht immer kann man allen dreien gerecht werden.

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Drei Kinder immer gleichberechtigt zu behandeln fällt schwer

Mittlerweile ist es bereits halb acht. In spätestens 15 Minuten müssen alle Kinder im Auto zur Abfahrt bereit sitzen. Wir stehen bereits angezogen in der Tür, da kommt der erste Rückzug, denn Johann hat heute Sport. Also umdrehen und Sportzeug packen.
Mit dem Turnbeutel in der Hand verlassen wir die Wohnung. Zur Abfahrt bereit versuche ich das Auto zu starten. Vergeblich – irgendwas klappt nicht. Also alle Kinder aus dem Auto und wieder rein in die Wohnung.

Ich rufe meine Eltern an und bitte um Hilfe. Leider besitze ich noch kein modernes schnurloses Telefon, welches zurzeit von der Stiftung Warentest mit Abstand am besten bewertet wurde. So bliebe ich zum Telefonieren brav neben dem Telefon stehen. Meine Kinder nutzen die Chance in der Küche auf Süßigkeiten Fang zu gehen. Diese Suche bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Ich war gerade einmal drei Minuten am Telefon und die Küche inklusive meiner drei Kinder sah aus wie ein Partyraum. Alles was zuvor noch in den Schränken war, befindet sich nun auf dem Boden und an den Klamotten meiner Kinder.

In zehn Minuten wird meine Mutter eintreffen um Max und Johann in die Schule zu fahren. Also bliebt nicht viel Zeit einen Klamottentausch durchzuführen und wieder abfahrbereit in der Auffahrt zu stehen.

Wie durch ein Wunder hat alles reibungslos geklappt. Meine Mutter fuhr die Kinder zur Schule und ich konnte in Ruhe aufräumen und mit Sophie für meine kleine Geburtstagsparty am Abend einkaufen. Ich wünschte mir ein neues Telefon, aber nicht irgendeins. Es sollte eins von den so modernen von Stiftung Warentest schnurlos Telefone sein. Ich war mir sicher dies würde das Ende meiner Chaostage beziffern.

Anspruch der Frauenherzen

Heute Abend hat es sich Claudia vor dem Fernsehgerät so richtig gemütlich gemacht. Einfach abhängen vor einem Film, der sie innerlich in eine andere Welt entführen soll. Wenn da nicht an den spannendsten Stellen diese nervtötenden Werbeunterbrechungen wären: Eine schöne Frau springt Claudia aus dem Werbefernsehen an und hüpft ihr geradewegs auf die innere Couch. Wenig Stoff lässt eine mehr als tadellose Figur erahnen, pfirsichsamtene Haut strahlt, lockeres wunderbar dichtes Haar streicht sie mit leichter Hand aus ihrem Gesicht, und eine betörende Stimme dringt aus dem Fernsehgerät nicht nur in Claudias, sondern in Hunderttausende andere Frauenherzen: „Was soll eine Frau von ihrem Leben erwarten?“, haucht die Schönheit.
frau-in-der-werbungSchon diese Frage geht doch einfach unter die Haut, oder nicht? Und ehe Claudia mit Blick auf Jogginghosen-Klaus, der sich schräg links von ihr am Computer ergötzt, zu irgendwelchen tiefgründigen Gedanken ansetzen kann („Ach, ja, schluchz, schnief, was habe ich denn überhaupt noch von meinem Leben zu erwarten?“) wird sie von der Werbeschönheit schon eingeholt: „Alles!“, haucht die Dame auf dem Bildschirm. „Wie, alles?“ Ja, doch wirklich. Claudia kann einfach alles vom Leben erwarten: Wie konnte sie das nur vergessen ? Aber sicher doch, wer wollte sich auch mit weniger zufrieden geben? Nur noch wenige Sekunden und Claudia erfährt, wer sie auf diese Fährte „Erwarte alles!“ lockt: Natürlich, eine große Kosmetikkette mit ihrer neuen, viel versprechenden Falten reduzierenden Tagescreme.
Okay, schon kapiert. Es geht mal wieder um raffinierte Werbestrategien, Absatzmärkte, zielgruppenorientiertes Marketing. Zufrieden kuschelt sich Claudia in ihre Couchkissen, lässt die Schönheit auf dem Schirm Claudia Schiffer oder sonst wie heißen und verscheucht tapfer all die Gedanken, Wünsche und Sehnsüchte, die diese Stimmen um sie herum wecken. Aber wie lästige Mücken umkreisen sie ihre Nase, denn leider hat sie bei Licht das Fenster offen gelassen, pardon, sie ist auch nur ein Mensch … und alle Werbepsychologen wissen doch genau, wie sie uns zielgenau erwischen.

Die Erwartungen, die durch wen oder was auch in uns geweckt werden und uns so viel versprechen, sind nur die Kehrseite der Medaille: nämlich der Erwartungen, die an uns gestellt werden. Zuspruch ist Anspruch.